Tanz über Tod und Leben in der Katharinenkirche
lübeck - Die nächtliche Katharinenkirche ist ein besonderer Ort, der richtige für die ganz großen Themen, für Leben und Tod. TanzOrtNord setzte diese Geschichten von den ersten und den letzten Dingen bei der Premiere der Choreografie „Das Antlitz im Boden" auf großartige Weise in modernes Tanztheater um. Im Kirchenschiff schweben die Abriebe der mittelalterlichen Grabplatten, Bischöfe, Ritter, wohlhabende Männer und Frauen: Ein Querschnitt durch zumindest den reicheren Teil der Gesellschaft des 13. Jahrhunderts. Die Tänzer Ulla Benninghoven, Shiao Ing Oei und Ulrich Gebauer erwecken diese Gestalten aus der fernen Vergangenheit zum Leben. Sie erzählen Geschichten über den Bischof, der sich als Zweifelnder erweist, über den Ritter, der mit seinen Waffen immer martialischer hantiert, über die junge Frau, die ihrer Freiheit beraubt wird. Es sind freie Assoziationen, die auf dem ungleichmäßigen Steinfußboden in präzise, mit wunderbarer Leichtigkeit getanzte Momente umgewandelt werden, begleitet von klug gewählten Texten, die Wolfgang Benninghoven liest. Dank der Lichtregie, die immer wieder für magische Momente sorgt, entstehen starke Bilder. Die gefesselte Frau etwa, deren Träume brutal beendet werden durch den Einbruch des richtigen Lebens in ihre Welt, wird man wegen der eindringlichen Darstellung durch Ulla Benninghoven so schnell nicht vergessen. Shiao Ing Oei und Ulrich Gebauer tanzen ebenso kraftvoll und ausdrucksstark -schon allein die Tatsache, dass dieser Bilderbogen auf einem gefährlich unebenen Boden stattfindet, ist bewunderungswürdig. Streng in ihrer Bildsprache wirkt diese Choreografie fast immer, das ist dem Raum und dem Thema angemessen. Korrespondenzen, assoziatives künstlerisches Arbeiten in mittelalterlicher Umgebung, in einem der faszinierendsten Räume, den es in Lübeck gibt: TanzOrtNord macht aus der Katharinenkirche wieder einen Kunst-Ort. Und das hat diese Kirche verdient.
FEL